What a shame! Wenn sich Konsument*innen bei geliebten Marken schämen

Wie reagieren Konsument*innen, die sich mit einer Marke identifizieren, nach einem Konsumzwischenfall? Die jüngste DBC-Forschung zeigt, dass markenverbundene Kund*innen Scham empfinden, was negative Konsequenzen für die Marke haben kann.
Lesedauer: 3 Minuten
Verbundene Konsument*innen zeigen nach einem Konsumzwischenfall Markenscham. Das führt zu negativen Reaktionen gegenüber der vormals geliebten Marke.

Dass Unternehmen auf Beziehungsmarketing setzen müssen, gilt als scheinbar unumstößliches Paradigma moderner Marketer*innen. Und das scheinbar zurecht. So hat die Marketingforschung in den unterschiedlichsten Studien zeigen können, dass Konsument*innen, die sich mit einer Marke verbunden fühlen, auch positives Konsument*innenverhalten zeigen. Sie kaufen solche Marken regelmäßiger als andere Konsument*innen, empfehlen sie häufiger anderen und wechseln seltener zu Konkurrenzmarken. Doch wie reagieren markenverbundene Konsument*innen nach einem Konsumzwischenfall mit ihrer geliebten Marke?

Wenn Liebe in Haß umschlägt

Die Antwort auf diese Frage ist nicht so eindeutig, wie gedacht. Es gibt eine Reihe von wissenschaftlichen Studien, die zeigen, dass verbundene Konsument*innen bei einem Zwischenfall ihrer geliebten Marke schnell vergeben. Dies wird als “Love makes blind”-Effekt bezeichnet. Und auf so ein Verhalten hoffen die meisten Menschen, wenn in ihrer Beziehung zu ihrem Parnter einmal etwas schiefläuft. Wir hoffen auf Vergebung.

Doch die meisten Studien zeigen eine gegenteilige Reaktion. Nach einem Konsumzwischenfall mit ihrer Lieblingsmarke zeigen Konsument*innen üblicherweise keine Vergebung, sondern ihre Liebe schlägt in Aggression und Rachegefühle um. In der Marketingforschung wird eine solche Reaktion als “Love becomes hate”-Effekt bezeichnet. Wir wissen, dass ein solcher Effekt wahrscheinlicher ist, wenn es bestimmte Umstände gibt. So hat unsere Forschung beispielsweise ergeben, dass die Anzahl der Zwischenfälle, die ein/eine Konsument*in während seiner/ihrer Beziehung zur Marke erlebt, hier entscheidend sein kann. Zu je mehr Zwischenfällen es kommt, desto eher entsteht Haß.

Scham als wichtiger Treiber von Haß

Forscher*innen sind schon länger bemüht, die Hintergründe und Treiber des “Love becomes hate”-Effekts zu finden. Yany Grégoire (HEC Montreal) konnte beispielsweise feststellen, dass markenverbundene Konsument*innen nach Zwischenfällen sich von der Marke betrogen fühlen. Solche Konsument*innen meinen, dass sie durch ihre besondere Beziehung zu der Marke “mehr” verdienen als andere Konsument*innen. Sie haben höhere Erwartungen. Darunter eben auch die Erwartung, dass sie ein fehlerfreies Produkt oder Service verdient haben.

In unserer jüngsten DBC-Forschung haben wir einen weiteren Aspekt identifizieren können. Enttäuschte Konsument*innen entwickeln ein Schamgefühl, nachdem sie bemerkt haben, dass ihre zuvor geliebte Marke sie nun im Stich gelassen hat. Der Zwischenfall ist also ein wichtiges “Trigger event”, das eine große symbolische Bedeutung hat. Dieses Schamgefühl ist umso größer, je verbundener Konsument*innen sich der betroffenen Marke gegenüber verbunden gefühlt haben bzw. sich mit dieser identifizieren konnten.

Die Markenidentifikation macht es schlimmer

Markenidentifikation (engl. “Consumer-brand identification”) ist üblicherweise eine Zielgröße des Beziehungsmarketings. Dabei geht es darum, dass Konsument*innen Marken dazu verwenden, um ihre Person zu definieren und nach außen zu kommunizieren. Die Marke wird also ein Teil ihres Selbst bzw. ihrer Identität. Das ist schlussendlich die Kernaussage der Consumer Culture Theory.

Wenn Konsument*innen nun feststellen, dass sie der falschen Marke vertraut haben und sie realisieren, dass sie nicht die gleichen Werte wie die Marke teilen, sind diese Konsument*innen zuerst enttäuscht. Wichtiger aber ist, dass sie sich dafür schämen, auf das “falsche Pferd” gesetzt zu haben und eine falsche Partnerschaft eingegangen sind. Sie haben in ihren eigenen Augen als Kosument*in versagt.

Aus Scham wird Ärger

Wenn sich Konsument*innen schämen muss das nicht unbedingt für Unternehmen negative Konsequenzen haben. Beispielsweise dann nicht, wenn sich Konsument*innen vor anderen Personen für ihr nicht angebrachtes Vertrauen in eine Marke schämen und ihre Handlungen verstecken wollen. Solche Konsument*innen würden keine Handlungen setzen, die ihr Verhalten an die Öffentlichkeit bringen würde, wie beispielsweise das schreiben einer öffentlich sichtbaren Beschwerde auf Social Media.

Allerdings entwickeln Konsument*innen auch ein starkes sog. “internes” Schamgefühl vor sich selbst. Dieses wird natürlich als äußerst unangenehm empfunden, wodurch Konsument*innen Maßnahmen setzen, um diese negative Emotion (Dissonanz) wieder abzubauen.

Der Ärger gegenüber der beteiligten Marke ist so eine Maßnahme. Dies bedeutet, dass die negativen Emotionen auf die Marke projeziert werden. Dies hat zur Folge, dass Konsument*innen wütend werden und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie für die Marke unvorteilhafte Handlungen setzen. Wie beispielsweise eben das Schreiben eines negativen Kommentars über die Marke in den sozialen Medien.

Was können nun Unternehmen tun?

Zum Einen ist es für Unternehmen wichtig zu realisieren, dass intensive Kund*innenbindungen negative Konsequenzen haben können. Dies ist allerdings nicht ein Zeichen dafür, dass man nicht auf Beziehungsmarketing setzen sollte. Verbundene Konsument*innen zeigen im Konsumalltag ein positiveres Konsumverhalten als ihre unverbundenen Gegenspieler. Nur bei Zwischenfällen kann es heikel werden. Daher sollte man solche nach Möglichkeit vermeiden oder entsprechend reagieren.

Beim Reagieren auf Konsumzwischenfälle ist es für Marketer entscheidend zu wissen, dass Konsument*innen eine Reihe von unterschiedlichen Emotionen parallel zeigen und das Scham eine davon ist. Man sollte also darauf achten, dass diese Schamgefühle aktiv reduziert werden. Beispielsweise durch einen entsprechenden Kommentar auf eine Beschwerde. Hier kann das Unternehmen signalisieren, dass es nachwievor die entscheidenden Werte mit dem/der Konsument*in teilt und dass der Zwischenfall nicht als Beweis aufzufassen ist, dass man von den gemeinsamen Normen abweicht. Dissonanzreduzierende Maßnahmen wie das Verweisen auf wichtigere, bislang nicht verletzte Normen, sind daher ratsam.

Unternehmen haben also prinzipiell die Möglichkeit die Beziehung zwischen Konsument*innen und ihren Marken in solchen Situationen zu retten. In wie weit das allerdings durch entsprechende Reaktionen möglich ist, wird unsere zukünftige Forschung noch genauer zeigen.

Weiterführende Quellen:

Grégoire, Y., & Fisher, R. J. (2006). The effects of relationship quality on customer retaliation. Marketing Letters, 17(1), 31–46.

Wolter, J. S., Bacile, T. J., Smith, J. S., & Giebelhausen, M. (2019). The entitlement/forgiveness conflict of self-relevant and self-neutral relationships during service failure and recovery. Journal of Business Research, 104, 233–246.

Stokburger-Sauer, N., Ratneshwar, S., & Sen, S. (2012). Drivers of consumer-brand identification. International Journal of Research in Marketing, 29(4), 406–418. 

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Autor*in dieses Beitrags

Wolfgang Weitzl

Wolfgang Weitzl

Wolfgang Weitzl (@wweitzl) ist Professor für Digitales Marketing im Digital Business Institut der Fachhochschule Oberösterreich (DBx) am Campus Steyr, Blogger und Autor.

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Zuletzt aktualisiert: 23.09.21

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